Leseprobe

Oma Catharina

Über Oma Catharina Schliebusch kann ich leider wenig sagen. Ich weiß nur, dass sie schon zur Jugendzeit meines Vaters gesundheitliche Probleme hatte. Ich sichtete einige Fotos, auf denen sie in Bad Neuenahr zu sehen ist, wo sie sich offenbar zur Kur befand. Auf der Aufnahme hält sie ein Glas mit Heilwasser in der Hand. Auf anderen Fotos sieht man sie immer sitzend, wohingegen der Rest der Familie steht.

Mein Vater erzählte mir meistens von meinem Großvater, der ihn ganz offensichtlich sehr geprägt hat. Er konzentrierte sich bei seinen Schilderungen in erster Linie auf das Geschäftliche. Josef Schliebusch bewunderte an Johann Peter vor allem dessen Geschäftssinn; er war stolz auf das Geschäft seines Vaters und hat es später gerne übernommen.

Der Organisator

Besonders beeindruckt zeigte sich Josef Schliebusch von der konsequenten und disziplinierten Präzision meines Opas; davon sprach er mir häufig. Auf meine Frage nach einem Beispiel antwortete er mir, dass, wenn mein Großvater irgendwo hinging, um etwas zu reparieren, er im Vorfeld alles in Betracht zog, was er möglicherweise zur Durchführung brauchte.

Es hat meinen Vater tief berührt, als mein Großvater verstarb. Die Übernahme der Geschäfte ging mit einer gewissen Andacht vor sich, wie er mir später berichtete. Die Abwicklung verlief ruhig und reibungslos.

Insgesamt bedauere ich sehr, dass ich so wenige Erinnerungen an meine Großeltern konservieren konnte. Mein Vater sprach verhältnismäßig wenig über die eher persönlichen Episoden seiner Kindheit. Er war ein ausgewiesener Mensch der Jetztzeit. An zwei Dinge der Jugend Josef Schliebuschs erinnere ich mich allerdings noch. Mein Vater besaß einen Hund, an dem er sehr hing und der ihm überall hin folgte. Auch hielt er eine Zeit lang Tauben, die aber Reißaus nahmen und auf Nimmerwiedersehen verschwanden, als sein Hund den Papierkorb umkippte, in dem sich die Tauben befanden, als der Käfig gesäubert wurde.

Ein Hobby aus Kindertagen behielt mein Vater bis in die Kriegszeit bei: Er fotografierte gerne und häufig. Weil in seiner Kindheit in Lannesdorf nicht jeder über einen Fotoapparat verfügte, galt er dort quasi als Dorfphotograph. Die Bewohner kamen auf ihn zu und fragten: »Kannst du mich mal eben abphotographieren?«, was er dann sehr gerne tat. Er entwickelte die Aufnahmen auch selbst und zeigte somit schon in frühen Jahren sein großes Interesse an technischen Neuerungen. So erklärt sich das aufwändig kolorierte Foto des LKWs meines Großvaters.

Denke ich an die Gespräche meiner Kindheit zurück, sprachen meine Eltern beim Frühstück, beim Mittag- und Abendessen stets über aktuelle Geschäfte. Alles drehte sich um die Firma. Die Kunden, die Lieferanten, das Geld standen im Mittelpunkt. Es fand sich wenig Platz für Opa Johann Peter und noch weniger für Oma Catharina. Leider, wie ich aus heutiger Sicht bekennen muss.